Ein großes Thema im Sachunterricht der vierten Klassen ist unsere Heimatstadt Frankfurt. Natürlich sprechen wir auch über den weltweit berühmtesten Frankfurter: Johann Wolfgang Goethe. Damit dieses Wissen über Goethe lebendiger wird, steht ein Ausflug zum Goethe-Haus für alle Viertklässler auf dem Programm.
Nach unserer Ankunft im Goethe-Haus ging es los mit dem Schreiben wie zu Goethes Zeiten – nicht bequem mit dem PC oder mit Schulfüller und Tintenlöscher. Nein, Goethe schrieb noch mit Gänsefedern und Tinte und musste jeden Brief, in dem er einen Fehler gemacht hatte oder auf den ein Tintenklecks gefallen war, noch einmal von vorne beginnen, wie wir bei unserem Projekt „Schreiben mit der Gänsefeder“ erfuhren. Auf unseren Tischen standen Gänsefedern, Tintenfässchen und Vorlagen mit den Buchstaben der Deutschen Schreibschrift. Alle durften ausprobieren, wie es sich mit den Federn schrieb und wie schwierig damals die Buchstaben zu schreiben waren.
Anschließend folgte die Führung durch das Goethe-Haus, das zwar nicht mehr im Original erhalten geblieben war, aber nach den Beschreibungen Goethes nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Wir starteten im Blauen Zimmer, dem Speisesaal der Familie Goethe. Vier Personen gehörten zu der Familie: Vater Johann Caspar Goethe, ein angesehener Jurist, Mutter Catharina Elisabeth, die Tochter des Stadtschultheiß (vergleichbar heute mit dem Oberbürgermeister), der Erstgeborene Johann Wolfgang und seine jüngere Schwester Cornelia. Die Familie hatte vier Angestellte, eine Köchin kümmerte sich um alle Mahlzeiten, die Dienstboten erledigten alle anfallenden Arbeiten. Auch das Öffnen der Tür übernahm nicht die Familie Goethe selbst, sondern ihre Angestellten schauten, wer an der Tür läutete. Die Freunde wurden sogleich in das Blaue Zimmer eingelassen, doch die Fremden mussten erst einmal im Gelben Zimmer warten. Hier sahen wir ein Bild von Goethe, allerdings schon aus seiner Zeit in Weimar, als Goethe bereits ein erfolgreicher Schriftsteller war.
Die Historikerin, die uns durch das Haus führte, erzählte uns sehr viel von dem Alltag damals und von Goethes Lebensweg. Wie sein Vater studierte er erst Jura, doch er hatte viel mehr Freude am Schreiben. Mit seinem ersten Roman „Die Leiden des jungen Werther“ wurde er schlagartig berühmt, denn er befasste sich mit einem Thema, worüber zu dieser Zeit noch niemand geschrieben hatte. Herzog Carl August in Weimar wurde auf Goethe aufmerksam und lud ihn ein. Auf seinem Schloss umgab er sich mit klugen Menschen, er bat Naturwissenschaftler, Philosophen und Schriftsteller zu sich. Es war für Goethe eine große Ehre, auch zu diesem Kreis zu gehören. Im November 1775 brach er nach Weimar auf, mit der Kutsche brauchte er eine Woche dorthin. Goethe bekam eine Stelle am Gericht in Weimar, er baute sich dort ein Haus und zwischen dem Herzog und ihm entwickelte sich eine tiefe Freundschaft.
Die Führung ging weiter im ersten Stock, der „Bel étage“. Dieses Stockwerk wurde für Feiern und Gäste genutzt, die Familie wohnte ausschließlich im zweiten Stock, deshalb waren die Türen im ersten Stock überwiegend geschlossen. Uns wurde erzählt, dass die Familie mit den Gästen französisch sprach, das war zu Goethes Zeit die Sprache der Oberschicht, zu der auch die Familie Goethe gehörte. Im großen Saal befanden sich in einem wunderschönen, mit Stuck verzierten Raum gleich drei große Spiegel. Vater Goethe war ein weit gereister Mann und wollte seine Besucher mit der kleinen Anlehnung an den Spiegelsaal in Versailles beeindrucken – so wurde es uns berichtet.
Wir erfuhren auch mehr über die Großeltern von Goethe. Sein Großvater mütterlicherseits, Johann Wolfgang Textor, war sein Namensgeber. Ein beeindruckendes Bild von ihm mit gepuderter Perücke, schwarzer Robe und goldener Kette hängt im ersten Stock. Er war als Stadtschultheiß ein bedeutender Mann in Frankfurt. Goethes Großmutter väterlicherseits hatte einen Gasthof und verkaufte Wein. Wie die Kinder schon zuvor im Sachunterricht gelernt hatten, war das Messerecht für die Frankfurter eine hervorragende Gelegenheit zum Geld verdienen. Goethes Großmutter profitierte auch davon, sie vermietete Zimmer in ihrem Gasthof und verkaufte den Messebesuchern Wein. Damit verdiente sie so viel Geld, dass sie das Haus am Großen Hirschgraben kaufen und ihrem Sohn Johann Caspar das Studium finanzieren konnte. Die Historikerin schilderte, wie es mit dem Haus Goethes weiterging. Goethe lebte dauerhaft in Weimar, seine Schwester heiratete einen Mann aus Süddeutschland und zog dorthin. Nach dem Tod von Goethes Vater verkaufte die Mutter das Haus nach einiger Zeit und zog in die Nähe der Hauptwache. Im Jahr 1863 kaufte das Freie Deutsche Hochstift, ein wissenschaftlicher Bürgerverein, das Haus, bemühte sich um eine Einrichtung nach Goethes Beschreibungen und eröffnete es als Dichtergedenkstätte.
In der Bibliothek hatten wir das Glück, Bücher aus Goethes Zeit zu sehen. Die Historikerin beschrieb, wie nicht nur Johann Wolfgang, sondern auch seine Schwester Cornelia in diesem Raum von Privatlehrern unterrichtet wurden. Besonders interessant fanden wir, dass oft auch Goethes Vater sich dazu setzte und überprüfte, ob die Lehrer auch wirklich gut genug für seine Kinder seien.
Das letzte Highlight unserer Führung war ein weiteres Original: das Puppentheater von Goethe. Hierfür schrieb er die ersten Geschichten und spielte sie anderen Kindern vor. Später offenbarte Goethe, dass er auf diese Weise schon hervorragend ausprobieren konnte, welche Geschichte gut funktionieren.
Ein wunderbarer Ausflug und ein fabelhafter Tipp für einen Ausflug am Wochenende!
Fotos: IEL