Oha, wie schwer! Man sieht es so einem handlichen grauen Ton-Paket in der Plastikverpackung nicht an: Immerhin zehn Kilo muss man stemmen, um einen Batzen Ton vom Boden auf den Arbeitstisch zu wuchten. Mehr als hundert Kilo von rotem und weißem Ton liegen zurzeit im Kunstraum.
Wozu? Weil unsere Schule im Keller unseres Hausmeisters – Betreten natürlich für alle Kinder verboten! – einen professionellen Keramik-Brennofen aufgestellt hat. Mehr als 1.200 Grad Celsius wird der Ofen im Inneren heiß. Zwei bis drei Tage dauert ein Brennvorgang, weil die Tonobjekte ganz langsam erhitzt werden und ebenso lange abkühlen müssen, damit sie nicht reißen oder gar platzen. Denn Ton ist pure Natur, Erde eben, angereichert mit vielen Mineralien und Wasser, und diese Mischung wiegt schwer.
Endlich ist er da, der Keramikofen! Er wurde auf Wunsch des Fachbereichs Kunst mit Unterstützung der Schulleitung und dank der Großzügigkeit der Gemeinde angeschafft. Vor wenigen Wochen konnte es losgehen: für die jüngeren Kinder mit einem ersten Kneten und Modellieren von kleinen Tieren, Figürchen und Schalen, um dann, auf den ersten Begegnungen mit dem erdigen Naturstoff aufbauend, mit dem Ausrollen, Ausstechen, Stempeln und Formen des vermutlich ältesten Werkstoffs der Welt zu beginnen.
Apropos Alter: Die Sache mit dem Ton begann ziemlich früh, nämlich ganz „am Anfang“ („Bereschit“), sozusagen mit Adam und Eva. Besser gesagt, mit Adam. In der Thora (Genesis 2,7) lesen wir, dass Adam – in deutscher Sprache eben „der Mensch“ –, erschaffen wurde, indem G´tt etwas „von dem Erdboden“ nahm.
Eine Gestalt aus Erde zu formen, das wird in der Thora so leicht erzählt. Wer aber das erste Mal mit Erde arbeitet, merkt schnell, dass einen das Material zur Geduld erziehen will. Denn Ton verhält sich ganz anders als Knete oder Fimo: Er schrumpft langsam und wird bröselig, weil er Wasser an die Luft abgibt; er klebt an den Händen und der Holzunterlage, wenn man zu viel Wasser benutzt; er wird hart, wenn man ihn nicht gut in feuchte Tücher wickelt; er reißt beim Formen, wenn er zu trocken ist; er bekommt Falten wie eine Elefantenhaut, wenn man zu wenig Wasser nimmt. Und ganz besonders fies: Er sackt unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen, wenn man die Wände zu dünn macht. Dann war die ganze Mühe vergeblich. Aber Ton kann auch sehr freundlich sein: Er wird nie schlecht, kann Jahre lang auf einen warten, und wenn was schiefgegangen ist, kann man die zusammengefallene Matsche wieder neu kneten und von vorne beginnen. Man braucht nur seine Hände und ein bisschen Wasser. Naja, und Geduld eben.
Ton in der Kunst: Ton wurde schon verwendet, als Mammuts den Menschen Respekt einflößten. Spätestens vor 26.000 Jahren fanden Mammutjäger heraus, dass der lehmige Boden unter ihren Füßen nicht nur bei Regen glitschig wird und sie beim nächsten Sonnenschein ihre Fußabdrücke darin entdecken konnten. Ton ist ein natürliches, und daher vollkommen recycelbares Baumaterial, das langsam verwittert und, anders als moderne Baustoffe, den nachfolgenden Generationen keine giftigen Substanzen hinterlässt. Schon in der Antike bauten die Menschen aus Erde – ungebrannt als Lehmziegel oder zu Backstein gebrannt – ihre Häuser, Paläste wie Ställe, ja sogar Hochhäuser und ganze Städte. Daran erinnern die Tells, Erdhügel in der flachen Steppenlandschaft, unter denen sich Jahrtausende alte Siedlungen verbergen. Alles aus Erde gebaut, und später von Staub und Wind zugeweht. Menschen bauten aus Ton ihre Öfen für Brot, wie man sie noch heute kennt, sie formten aus Ton ihre Teller und Tassen, Schalen und Schüsseln, Töpfe und Amphoren für Wein und Öl, und natürlich Schrifttäfelchen mit Gesetzestexten – und Kinderspielzeug.
Das alles – außer den Hochhäusern – können die Lichtigfelder in Zukunft mit dem Ton ausprobieren. Und damit die Tassen, Müslischalen und vielleicht sogar schöne Sederteller spülmaschinenfest werden und bunt glänzen, hat die Schule schon ein paar wenige Glasuren besorgt. Bei den ersten Tests mit Effektglasuren, mit den Sorten Harlekin, Tiefseeblau und Bärenfell, war die Überraschung nach dem Glasurbrand groß. Ach, sooo sieht die Oberfläche nach dem Brennen aus!
Nach den Sommerferien kann es für die Schülerinnen und Schüler weitergehen mit dem Kneten und Modellieren mit diesem wunderbaren, uralten und erdigen Material Ton.