Ein Kunstwerk aus Wien für das Philanthropin

Andrea Muliars Gobelin „Dibbuk“ in unserer Aula

Ein Kunstwerk aus Wien für das Philanthropin

Andrea Muliars Gobelin „Dibbuk“ in unserer Aula

Andrea Muliar, eine freie Textilkünstlerin aus Wien, hat 1989/90 im Auftrag der Saalbau GmbH, einen ca. 3 x 3 Meter großen Gobelin in gotischer Technik für das Foyer des von der Saalbau GmbH genützten Saales (die heutige Mensa) im Philanthropin gewebt. Dieser Teppich wurde mit einem Festakt, genau 48 Jahre nach der Schließung der Schule durch die Nazis, am 30.06.1990 enthüllt.

Nach der Rückwidmung des ehemaligen Philanthropin-Gebäudes in die I. E. Lichtigfeld-Schule und der Rückgabe des Saales wurde dieser Wandteppich der Schule übereignet und fand nach dem Umbau einen neuen Platz in der Aula.

Obwohl der Originalentwurf für das viel kleinere Foyer des Saales geplant war, ist der neue Platz des „Dibbuk“ so beschaffen, dass er dort seine perfekte Heimstätte gefunden hat, und man kann sich nicht vorstellen, dass er ursprünglich nicht genau für diese Stelle geplant war.

„Der Dibbuk“ ist ein faszinierendes und komplexes literarisches Werk, das 1916 von Salomon Ansky geschrieben wurde und das tief in der jüdischen Mystik verwurzelt ist. Es handelt sich um universelle Themen wie Leben, Tod, Liebe und den Einfluss der bösen Geister auf die Menschen und in weiterer Folge um den Exorzismus des Bösen.

Der Dibbuk, ein Geist des Bösen, wird von der Künstlerin mit der Wiener Sage des Basilisken „verwoben“. Dieser Basilisk, der in Wien in der Schönlaterngasse dargestellt ist, erschreckt alle Menschen, die ihn erblicken, zu Tode. Ein findiger Bäckerjunge kommt auf die Idee, dem Basilisken einen Spiegel vorzuhalten. Der tödliche Blick trifft ihn selbst und er erstarrt und versteinert. So kann er kein Unheil mehr anrichten.

In unserem Dibbuk sieht sich der böse Geist im Spiegel, das Böse verblasst, zerfällt immer mehr, er verliert die Gesichtszüge und am Ende verschwindet er vollkommen. Der Dibbuk soll ein Warnsignal vor dem Antisemitismus und anderen Gefahren sein, die die Gesellschaft bedrohen.

In einem gemeinsamen Gespräch am Dienstag, 20.08.2024, in der Aula mit der Zwillingsschwester von Andrea Muliar, Susanne Schober Bendixen, dem Sohn der Künstlerin, Markus Muliar und Dr. Andreas Eichstaedt, dem ehemaligen Leiter der Saalbau GmbH und damaligen Auftraggeber des Dibbuk, für eine Filmdokumentation über die Werke der Künstlerin, durften wir erfahren, dass unser Dibbuk die größte Tapisserie der Künstlerin ist, und die Einzige, die in einem öffentlichen Raum hängt.

Es war ein spannendes, ernsthaftes und zum Teil heiteres Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Deutschland und Österreich. Fazit war, dass der Dibbuk als Warnsignal angesichts der sich aktuell vertiefenden Brüche in der Gesellschaft und des steigenden Antisemitismus immer relevant sein wird und präsent ist.

Die Dokumentation soll die Werke der Textilkünstlerin Andrea Muliar in Erinnerung rufen und dabei spielt unser Dibbuk in mehrfacher Hinsicht eine ganz zentrale Rolle.