Dies ist vermutlich die kreativste Pessach-Umschreibung aus der Sicht eines Schülers. Aber auch Thora und Talmud geben dem Feiertag spektakuläre Namen:
Chag HaAviv (Fest des Frühlings), Chag HaMazzot (Fest der Mazzot) und Zman Cherutenu (Zeit unserer Freiheit) – so lauten die verschiedenen Bezeichnungen. Kaum ein jüdisches Fest ist so vielfältig, kein jüdischer Feiertag so wichtig für die jüdische Identität und kaum ein JomTov erfordert so eine gründliche Vorbereitung – spirituell, wie praktisch. Unsere Weisen lehren uns im Talmud (Psachim 6A), dass wir 30 Tage vor Pessach anfangen sollen, die Pessach-Gesetze zu hinterfragen und die dazugehörigen Halakhot zu lernen. Auch in diesem Schuljahr war das Fest der Freiheit ein zentrales Thema im Unterricht und ermutigte die Kinder zu den phantasievollsten Fragen.
Die zweiten Klassen beispielsweise lernten die Geschichte des Auszuges aus Ägypten, suchten mit Kerze und Feder nach Chametz im Klassenzimmer und bastelten eigene Pessach-Teller.
Bei den Schüler/-innen der Sekundarstufe I standen hingegen tiefere theoretische Inhalte im Vordergrund. Doch neben den anspruchsvollen Konzepten durften sie sich auch eines praktischen Übungsseders erfreuen. Als Belohnung für ihre Mühen feierten sie einen Süßigkeiten-Seder unter der Regie unserer Fachbereichsleiterin für Jüdische Religion. Dabei wurden die klassischen Simanim (Symbole) durch Naschereien, wie etwa bunte Marshmallows ersetzt.
Doch der unbestrittene Höhepunkt war der Übungsseder der Grundschule und Eingangsstufe. Auch die jüngeren Kinder konnten schon einige Tage vor dem richtigen Seder in den Genuss der tollen Pessach-Atmosphäre kommen. Im brechend vollen Festsaal der Jüdischen Gemeinde fanden am 10. April 2019 über 300 Kinder, Eltern und Lehrer/-innen Platz. Voller Aufregung nahmen neben den Schülerinnen und Schüler der Grundschule erstmalig auch die Kinder der E1 und E2 an der Veranstaltung teil.
Nach einer Begrüßungsrede von Frau Dr. Hartmann gestalteten die Schülerinnen und Schüler der 4. Klassen die Feier. Das feierliche Pessach-Ritual heißt nicht umsonst Seder. Das Wort bedeutet nämlich Ordnung. Der Ablauf ist in 15 Schritte genau gegliedert. Jeder einzelne dieser Schritte wurde durch die Jungen und Mädchen auf der Bühne erklärt. Dabei waren alle Kinder im Saal involviert. Alle hatten einen persönlichen Sederteller mit Mazza, Maror und allen Simanim vor sich liegen. Während ein Teil der Älteren auf der Bühne durch die Haggada führte, wurden die Kinder an den Tischen von den anderen „Großen“ unterstützt. Jeder Viertklässler ordnete sich einer Gruppe jüngerer Schülerinnen und Schüler an den Tischen zu und half ihnen bei der Umsetzung der einzelnen Schritte. Von Kaddesch bis Nirza führten sie alles genau aus – sodass viele von ihnen sich anschließend so fühlten, als seien sie soeben persönlich aus Ägypten ausgezogen.
Gemeinsam mit den Musik- und Religionslehrkräften wurden die Kinder auf die Feier vorbereitet. Daher waren auch traditionelle Pessach-Lieder ein zentraler Bestandteil. Jede Klassenstufe übernahm dabei ein Lied. Zum Abschluss sangen alle gemeinsam Vehi SheAmda. Das Lied handelt davon, wie G‘tt in allen schwierigen Momenten dem jüdischen Volk beisteht. Auch beim Auszug aus Ägypten war dies der Fall. Viele der Besucherinnen und Besucher berichteten von einer Gänsehautatmosphäre während des Liedes.
Mit einer Rede von Rabbiner Soussan wurde die Feier beendet und alle Beteiligten mit einem frisch geladenen spirituellen Akku in die Pessach-Ferien verabschiedet.