„Heimaterial“ – Klassen 4 bis 8 stellen aus

Schülerarbeiten im Deutschen Architektur-Museum

„Heimaterial“ – Klassen 4 bis 8 stellen aus

Schülerarbeiten im Deutschen Architektur-Museum

„Klein, aber fein!“ – lobte ein Gast die Ausstellung der Lichtigfeld-Kids bei der Eröffnung. Unter dem Titel „Heimaterial – Heimat ist da, wo mein Herz ist“ sind bis zum 28. August (die ganzen Sommerferien!) im Deutschen Architektur-Museum (DAM) künstlerische Arbeiten der Klassen 4 bis 8 zu sehen.

Der weiße, quadratische Ausstellungsraum mit den Schülerarbeiten bildet das Zentrum des zweiten Obergeschosses. Der Architekt des Museums, Oswald M. Ungers, hatte das DAM nach dem Konzept „Haus im Haus“ gestaltet. Dadurch stehen die Modelle der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt der Dauerausstellung mit aufwendigen Architekturmodellen, die veranschaulichen, wie sich das Wohnen „Von der Urhütte zum Wolkenkratzer“ veränderte.

Wie kam es zu dieser Ausstellung pünktlich zum 50-jährigen Schuljubiläum der I. E. Lichtigfeld-Schule? Christina Budde, die Museumskuratorin für Kunstvermittlung, beschrieb in ihrer Eröffnungsrede am vergangenen Donnerstag die inhaltliche Verbindung zur Architektur-Biennale in Venedig: Zur Zeit fokussiert dort der Deutsche Pavillon unter dem Titel „Making Heimat – Germany Arrival Country“ die aktuellen Debatten darüber, wie gutes, menschenwürdiges Wohnen aussehen kann. Es geht um Fragen wie diese: Wie können wir heute angesichts weltweiter Migrationsbewegungen für Familien bezahlbare Wohnungen schaffen? Welche Räume und welche Freiräume brauchen Kinder und Erwachsene, um sich sicher, geborgen und zuhause zu fühlen?

Die Schülerinnen und Schüler der Lichtigfeld-Schule bezogen diese Fragen der Architekten und Stadtplaner im Schuljahr 2015/16 auf ihre eigenen Situationen in Frankfurt am Main. Das DAM und das Schulprojekt „denkmal aktiv“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unterstützten die Lichtigfeld-Schule dabei als fachliche Partner.

In ihrer Eröffnungsrede bezog sich Bettina Gebhardt, Architektin und Kunstvermittlerin im DAM, auf den Museums-Workshop, bei dem sie die 7a im Juni anleitete, mit Drahtgeflecht und Gipsbinden zu arbeiten. Am Ende des kreativen Arbeitsprozesses hatte die 7a drei Gips-Draht-Formen hergestellt, die seit dem 7. Juli in der Ausstellung stehen:

  • eine ummauerte organische Höhlenform mit Turm, die an ein archaisches rundes Turmhaus erinnert;
  • ein Tell als Symbol für das, was von einer antiken Siedlung übrig geblieben ist. David und Simon, zwei Schüler der 7a, erinnerten in ihrem Redebeitrag die Ausstellungsgäste daran, dass unter dem Wüstensand der Tell-Oberflächen wertvolle archäologische Funde und Befunde vergraben sind. Die Schüler setzten sich mit der Frage nach der von Architekten oft thematisierten Dauerhaftigkeit unterschiedlicher Baumaterialien auseinander.
  • Dies führte schließlich zum dritten Objekt der 7a aus Gips und Draht: einem Boot. Jedoch: ein Boot ohne Boden! Ein Objekt der Schüler, das mehr Fragen nach Heimat stellen will als dass es sich mit vorgefertigten Antworten zufrieden geben kann.

Wie kam es zu den Zetteln mit Heimat-Zitaten?
Etwa 100 Schülerinnen und Schüler hatten anonym und freiwillig in der Schule Fragebögen zu ihrer eigenen Definition von Heimat ausgefüllt. Einige der direkten und klaren Aussagen hängen nun von der Decke des Ausstellungsraumes. Dort liest man etwa: Heimat ist hier und jetzt. Heimat ist dort, wo ich so sein darf, wie ich wirklich bin. Heimat ist beim Essen mit der Familie. Heimat ist im Internet, in meinem Zimmer, unter Freunden, beim Angeln, auf dem Fußballplatz. In der Ausstellung haben die Kuratorinnen des DAM eine Papierrolle installiert, auf der die Gäste eigene Gedanken ergänzen dürfen.

Wie kam es zu den mehr als 50 May-Häusern an den Wänden?
Bei einer Radtour stellten viele Schülerinnen und Schüler fest, dass die Frankfurter schon vor 90 Jahren zu höchst modernen Lösungen kamen, um city-nahes, bezahlbares Wohnen im Grünen für Familien mit Kindern zu realisieren: Frankfurts jüdischer Oberbürgermeister Ludwig Landmann hatte dazu in den 1920er Jahren seine Bauabteilung unter Leitung des Architekten Ernst May so ausgestattet, dass in nur fünf Jahren 26 Siedlungen mit 15.000 Wohnungen und Häusern entstanden. Bis heute heißt Landmanns einzigartiges Modernisierungsprojekt „das Neue Frankfurt“. Die May-Häuser wirken heute auf manche Frankfurter Kinder „ziemlich klein“. Doch die Qualität der Reihenhäuser liegt nicht allein im Materiellen, sondern darin, wie großzügig May die Umgebung durchplante: viel Grün, Wiesen, Bäume und Gärten, einfach viel Platz zum Spielen und für Freizeit.

Früher waren die Fassaden der May-Häuser nach den Bauhaus-Ideen einheitlich weiß oder rot oder blau gestrichen. Heute gibt jeder seinem Haus eine oft schrille Farbe nach seinem Geschmack. So diskutierten die Schüler darüber, warum es viele Bewohner mögen, ihr May-Haus richtig bunt zu streichen.

Robert Wenkemann, der Künstler, der die Mayhaus-Bauanleitungen auf Papier entworfen hatte, freute sich bei der Eröffnung im DAM, zum ersten Mal so viele unterschiedliche May-Häuser in einer Reihe zu sehen. Auch der Journalist Oscar Unger von der Ernst-May-Gesellschaft war begeistert von den Schüler-Arbeiten aus Papier.

Wie kam es zu dem Modell einer Schulklasse?
In der Ausstellung stehen auch zwei Modelle, die einen alten und einen heutigen Klassenraum der I. E. Lichtigfeld-Schule zeigen. Das ältere Modell hatten Schüler 2008 zum hundertjährigen Schuljubiläum gebaut; das neuere Modell bauten die Kinder der Werk-AG 2016 zum diesjährigen Jubiläum. Unsere heute nach I. E. Lichtigfeld benannte Schule war ja als Philanthropin gegründet worden, als eine Stätte der Menschlichkeit. So versuchte auch unsere Schule in den ebenso schwierigen wie modernen 1920er Jahren, die Familien der Schülerinnen und Schüler zu entlasten, denn nach dem ersten Weltkrieg gab es viele Frauen, die mit ihren Kindern allein waren. So fehlte oft ein stabiles Familieneinkommen, und es gab zu wenig bezahlbare, kleinere Wohnungen. Daher wurden die Kinder von der Schule ganztags betreut, damit die Mütter arbeiten gehen konnten. Damals saßen in den Klassenräumen fast doppelt so viele Kinder wie heutzutage; auf dem begrünten Schulhof – heute mit der modernen Turnhalle – konnte man spielen. Und: Beim Bauen der May-Häuser hatten die Schüler festgestellt, dass die Fläche ihres Klassenraumes größer ist als die Grundfläche eines May-Hauses für eine Familie.

Wie kam es zu dem Bild an der Stirnseite des Ausstellungsraumes?
Eine Schülerin der Klasse 8 wollte nach dem geduldigen Bauen der May-Häuser noch etwas „ganz frei zum Thema Heimat“ ausdrücken. In völliger Stille und Konzentration schuf sie in mehreren Stunden auf dem Boden ein Bild, dessen Entstehungsprozess mit dem kontrollierten Zufall arbeitet – wie etwa bei Jackson Pollock. Sie betrachtete das Ergebnis in Ruhe und schrieb dazu: „Heimat entsteht dann, wenn man frei und ohne Angst ausdrücken darf, wie man sich im Augenblick fühlt.“

Die Ausstellung Heimaterial ist bis zum 28. August im DAM zu sehen. Nur die Schulklassenmodelle werden möglicherweise zu den Jubiläumsfeierlichkeiten der Schule vorzeitig abgeholt, um sie in der Schule oder im Gemeindezentrum zu zeigen.