Die Geschichte einer außergewöhnlichen Bildungsstätte

Die Meilensteine unserer Schulgeschichte.

Die Geschichte einer außergewöhnlichen Bildungsstätte

Die Meilensteine unserer Schulgeschichte.

Die Gründung:
1804-1813
Das Philanthropin: eine Stätte der Menschlichkeit

Siegmund Geisenheimer

Siegmund Geisenheimer

Kurz nach der Öffnung der Judengasse beauftragte Mayer Amschel Rothschild seinen Bürovorsteher Siegmund Geisenheimer mit der Gündung des Philanthropin in Frankfurt am Main. Zunächst für arme jüdische Jungen gedacht, nahm man aufgrund der geringen Anzahl öffentlicher Schulen auch nichtjüdische Schüler auf.

Die Gründung:
1804-1813
Das Philanthropin: eine Stätte der Menschlichkeit

Siegmund Geisenheimer

Siegmund Geisenheimer

Kurz nach der Öffnung der Judengasse beauftragte Mayer Amschel Rothschild seinen Bürovorsteher Siegmund Geisenheimer mit der Gündung des Philanthropin in Frankfurt am Main. Zunächst für arme jüdische Jungen gedacht, nahm man aufgrund der geringen Anzahl öffentlicher Schulen auch nichtjüdische Schüler auf.

Ganz im Geist der Aufklärung und Emanzipation stand dabei die Idee einer säkularen jüdischen Bildung. Den Schwerpunkt des Unterrichts bildeten weltliche Fächer und die deutsche Sprache. Im Sinne der Gleichstellung war das Philanthropin zudem eine der ersten Schulen, in der auch Mädchen unterrichtet wurden. Bei der Gründung mit nur drei Schülern gestartet, besuchten 1813 bereits 200 Schüler das Philanthropin. Ab 1811 absolvierten auch christliche Kinder hier ihre Schulbildung. Die Zahl der Schüler erreichte 1877 mit 874 ihren vorläufig höchsten Stand.

„Als eine der größten und anerkanntesten Schulen einer Israelitischen Gemeinde besaß das Philanthropin über Frankfurt hinaus einen guten pädagogischen und wissenschaftlichen Ruf.
Angesehene Lehrer wie die Historiker Isaak Markus Jost und Isidor Kracauer, der Naturwissenschaftler und Botaniker Isaak Blum oder der Mathematiker Gustav Wertheim lehrten hier viele Jahre.“

Der Umzug:
1908

Das Jahr 1908 markierte einen neuen Abschnitt in der Geschichte des Philanthropins, das aufgrund seines guten Namens stetig wuchs und schließlich 1908 aus Platzmangel einen neuen Standort brauchte. Der Umzug war von großer Bedeutung, denn das großzügig gestaltete Schulgebäude in der Hebelstraße entsprach den neuesten pädagogischen Ansprüchen und ließ erkennen, welchen hohen Wert die Israelitische Gemeinde auf die Ausbildung ihrer Kinder legte. 21 Klassenräume standen den 550 Schülern zur Verfügung. Das moderne Gebäude und seine verkehrsgünstige Lage im Nordend ließen die Schülerzahlen weiter steigen. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs gingen hier pro Jahr 600 Kinder und Jugendliche zur Schule auf.

„Unsere Klasse lag im untersten Stockwerk. Wir blieben alle vierzig sprachlos vor Erstaunen und Entzücken vor der Türe stehen – keine wollte ihren Fuß auf das spiegelglatte, auf Hochglanz polierte rote Linoleum setzen. Unser besonderes Interesse erregten die vielen Tafeln, die man aufwärts- und abwärts ziehen, zur Seite klappen oder um sich selbst drehen konnte…“

— (Erinnerung einer damaligen Schülerin)

Der Aufschwung durch moderne Pädagogik:
1921 -1933.

Mit dem neuen Direktor Dr. Otto Driesen wurde die Schule um einige Schulzweige zu einem „Schulwerk“ ausgebaut. Die Realschule avancierte zum Reformgymnasium mit neusprachlichem Unterricht in den Eingangsklassen und wurde in den höheren Klassen um das Fach Latein erweitert. Ein Kindergarten und eine achtklassige Volksschule kamen dazu und alle Schüler konnten nun das Philanthropin bis zum Abitur besuchen. Darüber hinaus wurde an das Lyzeum eine einjährige Frauenschule angegliedert, an der die jungen Mädchen Kenntnisse in allgemeinbildenden Fächern und in Hauswirtschaft erhielten. Dies befähigte sie, beruflich eigenständig zu werden.

„Projektunterricht, freiwillige Arbeitsgemeinschaften und Diskussionsgruppen gehörten zum pädagogischen Repertoire. Es gab eine Theatergruppe und ein Schulorchester, die bei Schulfesten und Feiertagen in der Aula auftraten und einen Sportverein, dem fast ein Drittel der Schüler angehörte.“

Das Jahr der Veränderung:
1939

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich die Situation am Philanthropin. Seit 1937 wurden zwei Klassen eingerichtet, in denen anstelle des deutschen Abiturs die Cambridge School Certificate Examination abgelegt werden konnte. Die Schüler wurden so auf die Auswanderung nach England und Israel vorbereitet. Aber auch der Werk- und der Sportunterricht wurden intensiviert. 1939 fand schließlich die vorerst letzte Abiturprüfung statt.

Erst im Jahr 1954 wurde das Philanthropin wieder in die Hände der jüdischen Gemeinde übergeben.

Der Neubeginn:
1966
Die I. E. Lichtigfeld-Schule im Philanthropin und Frankfurter Westend

​In aller Stille – und fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wurde am 18. April 1966 in Frankfurt am Main die erste jüdische Schule in Deutschland nach der Schoah eröffnet. Sie wurde nach ihrem Mitinitiator, Rabbiner Isaak Emil Lichtigfeld, benannt und trug den Namen I. E. Lichtigfeld-Schule.

Trotz aller Schwierigkeiten nahm die Schule ihren Betrieb in den Räumen der Hauptsynagoge auf und begann mit einer ersten und einer zweiten Klasse mit insgesamt 30 Kindern, darunter vier nichtjüdische Schüler.

Ziel der Schule war es von Beginn an, jüdische Inhalte in den Unterricht und in das Schulleben einfließen zu lassen und sich dabei nicht nur auf die jüdische Religion zu beschränken. Daher wurden auch die gemeinsame Vorbereitung der jüdischen Feiertage sowie das Erlernen israelischer Lieder, Tänze und der hebräischen Sprache in das schulische Leben integriert. Für den offenen und liberalen Charakter der Schule stand zudem die Einstellung der nichtjüdischen Schulleiterin Ruth Moritz, die die Schule bis zur ihrer Pensionierung 1992 leitete.

„Das ist ein Experiment”, sagte Isaak Emil Lichtigfeld bei der Eröffnung. „Wir wollen kein großes Aufsehen. Die Schule ist ein zartes Pflänzchen, das noch viel begossen werden muss.”

— Mitinitiator Dr. Isaak Emil Lichtigfeld

Die staatliche Anerkennung:
1968

Zwei Jahre nach Schulgründung wurden 68 Schülerinnen und Schüler in vier Klassen von vier Lehrerinnen unterrichtet. In dieser Zeit erhielt die Privatschule zudem die staatliche Anerkennung und unterrichtete nach einem vom Hessischen Kultusministerium festgelegten und verbindlichen Lehrplan, auf dem zusätzlich noch die Fächer Iwrit und Religion standen. Der Leistungsstand der Lichtigfeld-Kinder konnte als überdurchschnittlich bezeichnet werden. Bei einem Vergleich der Schulleistungen zwischen der jüdischen Grundschule und dem 4. Schuljahresabgang anderer Frankfurter Schulen schnitt die Lichtigfeld-Schule am besten ab.

„Am 13. Dezember 1968 fand unter Anwesenheit von Vertretern der Gemeinde sowie der Stadt Frankfurt die feierliche Enthüllung einer Gedenktafel an der Grundschule statt. Mit dem ersten Todestag von Dr. Lichtigfeld wurde die Schule in “Isaak Emil Lichtigfeld-Schule” umbenannt.“

Der Umzug ins Gemeindezentrum:
1986

20 Jahre nach ihrer Gründung konnte die Lichtigfeld-Schule 1986 endlich neue Räume im gerade fertig gestellten Gemeindezentrum im Frankfurter Westend beziehen. Gleichzeitig mit diesem Umzug wurde die Förderstufe eingeführt und damit die Erweiterung um die Klassen 5 und 6. Während die allgemeinen Schülerzahlen in Hessen rückläufig waren, erfuhr die Lichtigfeld-Schule in den weiteren Jahren so viele Anmeldungen, dass eine dritte 1. Klasse eingerichtet und die Grundschulklassen somit dreizügig wurden.

Obwohl das Schulgebäude für maximal 200 Schüler konzipiert war, stieg die Schülerzahl in den nächsten Jahren auf 330 Schüler an.

Verabschiedung und Begrüßung:
1992

Am 11. Juni 1992 wurde Ruth Moritz als Schulleiterin im Rahmen einer würdigen Feier verabschiedet. Sie hatte seit 1966, und damit 26 Jahre lang, die Lichtigfeld-Schule mit Erfolg geleitet. An ihre Stelle trat Alexa Brum.

Von Anfang an machte es sich Frau Brum zur Aufgabe, das jüdische Profil genauer zu definieren und zu einem verbindlichen Gesamtlehrplan zusammenzufassen, in dem jüdische und nichtjüdische Inhalte effektiver miteinander verbunden werden konnten.

„Ein Drittel der Kinder an der Jüdischen Schule im Philanthropin in Frankfurt am Main kommt aus den GUS-Ländern, ein weiteres Drittel ist nicht jüdischen Glaubens. Das ist kein Zufall. Die Jüdische Gemeinde als Träger der Schule will, dass den jüdischen Kindern bewusst wird, dass sie in einer nichtjüdischen Welt leben. Sie setzt damit die Tradition der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt fort, die vor dem Holocaust in Deutschland lebten. Das ist ein Vorbild für gelungene Integration.”

Alexa Brum, Leiterin Jüdische Schule von 1992 bis 2014

Die symbolische Rückgabe:
2004

Am 9. Februar 2004 übergab die Oberbürgermeisterin Petra Roth bei einem Festakt das Philanthropin-Gebäude symbolisch an den Gemeindevorsitzenden Salomon Korn. Sie sprach von einer „besonderen Stunde”. Die Stadt Frankfurt werde sich immer des Unrechts erinnern, das dem Frankfurter Judentum zugefügt worden sei, als die Schule vor 68 Jahren von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde.

„Es sollte 64 Jahre dauern, bis das Philanthropin seine Pforten wieder als Standort der Schule der jüdischen Gemeinde von Frankfurt öffnen konnte. Am 9. Februar 2004 war es soweit. Die Oberbürgermeisterin Petra Roth übergab bei einem Festakt das Philanthropin-Gebäude symbolisch an den Gemeindevorsitzenden Salomon Korn.“

Der Umzug ins Philanthropin:
2006

Am 29. August 2006 war es so weit: Nach aufwändigen Sanierungsarbeiten zog die Isaak Emil Lichtigfeld-Schule vom Gemeindezentrum an ihren Ursprungsort und somit in das Philanthropin-Gebäude im Frankfurter Nordend. Mit dem Umzug verbunden war die Erweiterung der Schule zu einem Sekundarstufen I – Gymnasium nach dem G-8 Konzept und die Umwandlung in eine Ganztagsschule. Die Einweihung erfolgte in einem offiziellen Festakt.

Die neue Schulleitung:
2014

Im Juni 2014 übernahm Frau Dr. Noga Hartmann nach 22 Jahren erfolgreicher Führung der Schule durch Frau Alexa Brum die Schulleitung. Auch sie verfolgt mit großem Engagement die jahrzehntelange Philosophie der Lichtigfeld-Schule: mit Herz und Verstand glückliche und erfolgreiche Kinder auf das Leben vorzubereiten.

„Unsere Pädagogik wird grundlegend durch ein auf jüdischen Werten basierendes Menschenbild geprägt. Jede Schülerin und jeder Schüler wird in seiner Einmaligkeit gesehen und bestmöglich gefördert. An unserem Ziel orientieren wir uns täglich mit all unserem Denken und Handeln.“

Dr. Noga Hartmann, Schulleiterin

Die Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen:
2016

Der 13.07.2016 war für uns alle ein einzigartiger und denkwürdiger Tag, den wir stolz, lebendig und bunt feierten. Was nach der Schoah undenkbar schien und als zartes Pflänzchen begann, entwickelte sich in 50 Jahren zu einer erfolgreichen und stetig wachsenden Schule. Für aktuell 400 Schüler sind wir im Jahre 2016 eine vielfältige Bildungsstätte auf dem Fundament der jüdischen Religion und Tradition geworden. Mit Würdenträgern aus Kultur, Politik, der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und hunderten Eltern, Kindern und Besuchern wurde aus diesem Ehrentag ein unvergesslicher Feiertag, den die Presse interessiert begleitete.
„Wer ein Haus baut, will bleiben“. Dieses symbolstarke Zitat trägt unsere Schule auch weiterhin voller Freude und Optimismus in eine erfolgreiche Zukunft.

Die Grundsteinlegung für den Neubau der Grundschule:
2018

„Wir blicken auf die Zukunft“. Emotionaler lässt sich die Bedeutung der Grundsteinlegung für die neue Grundschule der Jüdischen Gemeinde Frankfurt kaum in Worte fassen. Direkt neben dem Gemeindezentrum, das seit Jahrzehnten ein Ort der Begegnung und gleichzeitig Symbol für die tiefe Verwurzelung in der Mainmetropole ist, wird ab Sommer 2019 das neue Zuhause für jüdische und nichtjüdische Grundschüler sein. Im Philanthropin gibt es dann ausreichend Platz für den ersten Abiturjahrgang seit 1939. Mit den fünf Stockwerken der zukünftigen Grundschule baut die I. E. Lichtigfeld-Schule daher weit mehr als nur eine neue Bildungsstätte. Sie setzt einen weiteren Meilenstein in ihrer Geschichte und errichtet ein Haus, das bleiben wird. Und groß genug ist für viele Generationen, die da kommen.

Die Einweihung der neuen Grundschule:
2020

„Dies ist nicht nur ein Neubau, sondern euer neues Zuhause“. Rabbiner Soussan hätte das Gefühl nicht treffender beschreiben können, das Kinder, Eltern, Lehrkräfte und Ehrengäste einte, als der große Tag am 17. 8. 2020 endlich gekommen war. Feierlich, wenn auch unter besonderen, coronabedingten Einschränkungen, wurde endlich das Band durchschnitten und der Weg freigemacht für die erste Generation Grundschülerinnen und Grundschüler, die nun in dem lichtdurchfluteten und modernen Gebäude lernen dürfen.
Aus dem zarten Pflänzchen, wie Dr. Isaak Emil Lichtigfeld seine Schule damals nannte, ist ein stattlicher Baum geworden. Und er wird weiter wachsen und gedeihen. Willkommen, blühende Zukunft! Mazal tov!

DAS ERSTE ABITUR SEIT 1939:
2021

„Ein historischer Moment und Tag großer Freude“.
Besser lässt sich die Zeugnisübergabe an die ersten Abiturient:innen nach der Schoa nicht beschreiben. Am 24. Juni 2021 – und damit das erste Mal seit 82 Jahren – war es so weit: Wir konnten 10 Schülerinnen und einem Schüler zu ihrer Allgemeinen Hochschulreife gratulieren, die damit ein Zeichen setzten für ein starkes jüdisches Selbstbewusstsein, für Wissenshunger, Begeisterung und Engagement, ungeachtet der erschwerten Bedingungen in Zeiten von Corona. Dieser erste Abiturjahrgang ist nicht nur Meilenstein und Motivation für alle kommenden Generationen: Er erfüllt eine vielfältige Stadt wie Frankfurt, ihre Jüdische Gemeinde und die gesamte jüdische Gemeinschaft mit Stolz und Freude. Das Abitur 2021 ist kein Abschluss, sondern ein Schritt in eine lebendige Zukunft. Stolz und dankbar freuen wir uns mit diesen Abiturient:innen – und  auf die nächsten und alle folgenden.