Am Morgen des 16.3. hat die Klasse 9a mit ihrer Lehrerin kurzentschlossen aus der Not eine Tugend gemacht. Dass wegen immer mehr Krankheitsfällen nur noch sieben Schülerinnen und Schüler anwesend waren, sprach dafür, an diesem Donnerstagmorgen keinen normalen Geschichtsunterricht abzuhalten. Denn zu viele hätten diesen verpasst. Also entschloss man sich auf Vorschlag einer Schülerin spontan zu einem lehrreichen Ausflug. Nachdem im Philanthropin alle zuständigen Stellen informiert worden waren, ging es zu Fuß von der Hegelstraße zum geschichtsträchtigen Jüdischen Friedhof an der Gedenkstätte Börneplatz gleich neben dem Museum Judengasse in Battonnstraße 47.
Dort liefen die Jugendlichen an der Friedhofsmauer entlang, an der über 13 000 Namenstafeln an unter der Nazi-Herrschaft ermordete Frankfurter Juden erinnern. Die Schülerinnen und Schüler lasen die alphabetisch geordneten Namen, suchten und fanden bspw. die Täfelchen der Familie von Anne Frank und sprachen dabei über den alten jüdischen Brauch, Gräber mit Steinen statt mit Blumen zu schmücken.
Die kleine Gruppe hatte Glück und konnte auch das Innere des alten Friedhofs betreten und seine beeindruckenden historischen Grabmäler und Gedenksteine bewundern. Für einen Besuch des benachbarten Museums reichte die Zeit diesmal leider nicht, auch weil das erst um 10 Uhr öffnet. Aber das kann man ja bei anderer Gelegenheit nachholen. Der Eintritt ist übrigens für Kinder und Jugendliche frei.
Das Museum Judengasse erinnert an das dichtbesiedelte erste jüdische Ghetto Europas, das Mitte des 15. Jahrhunderts an dieser Stelle gegründet worden ist. Manche Eltern und Großeltern unserer Kinder erinnern sich vielleicht an den sog. „Börneplatzkonflikt“, als man im Jahre 1987 bei Bauarbeiten für das geplante neue Gebäude der Stadtwerke auf Fundamente der Frankfurter Judengasse stieß und damit einen Konflikt auslöste, der von Frankfurt aus weite Kreise zog. Viele Vertreter der Frankfurter Jüdischen Gemeinde, aber auch etliche prominente Persönlichkeiten anderer Glaubensrichtungen forderten den vollständigen Erhalt der Mauerreste und demonstrierten für die Schaffung einer Gedenkstätte. Auf der anderen Seite bestanden Stadt und Stadtwerke auf den Bau ihres Kundenzentrums. Ein mühsam ausgehandelter Kompromiss sorgte dafür, dass im 1992 eröffneten Museum wenigstens fünf konservierte Hausfundamente und zwei Mikwen (jüdische Ritualbäder) zu besichtigen sind. Auch dem Streit um den Umgang mit der Historie des Platzes ist ein Raum gewidmet.
Die Gedenkstätte und die Täfelchen mit den Namen mehrerer tausender Frankfurter Schoa-Opfer, die die Klasse 9a besichtigte, wurden 1996 eingeweiht.
Fotos: IEL