Ein „Kindertransport-Kind“ begegnet der 9a

„I bin Frankfurter”

Ein „Kindertransport-Kind“ begegnet der 9a

„I bin Frankfurter”

Am 22. Februar 2018 hatte die Lichtigfeld-Schule einen besonderen Besuch: Das Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt hatte Veranstaltungen zum Gedenken an die 80. Wiederkehr des Beginns der Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder, die nach der Reichspogromnacht 1938 begannen, organisiert und dazu die Zeitzeugin Renata Harris in ihre Geburtsstadt Frankfurt eingeladen. Damit verbunden ist eine Initiative zur Errichtung eines Denkmals für die Kindertransporte auch in Frankfurt, wie es sie ähnlich schon in anderen Städten gibt.

Besonders gewünscht hatte sich Renata Harris, in ihrer ehemaligen Schule, dem Philanthropin, Schülerinnen und Schüler der Lichtigfeld-Schule zu treffen. Lebhaft, mit z.T. österreichischem, z.T. Frankfurter Akzent und eingestreuten englischen Wörtern, schilderte die 1929 in Frankfurt geborene Renata Harris geborene Adler den Schülerinnen und Schülern der 9a ihre Kindheit in einer liberalen Familie:

Bis zu ihrem 10. Lebensjahr lebte sie glücklich im Frankfurter Westend, liebte ihre Heimatstadt, besonders den Zoo, und fuhr mit Rollschuhen in „ihre“ Schule, um nicht zu spät zu kommen. Natürlich wurde auch damals im Philanthropin Iwrit gelehrt: „Als die Lehrerin anfing rückwärts auf der Tafel zu schreiben, sagte ich mir: ‚Das werd‘ ich nie lernen.‘“

In der Nacht vom 9. November 1938 wurde ihr Vater nach Buchenwald verschleppt. Danach wurden Freunde, Nachbarn und Bekannte plötzlich zu Feinden, sie selbst zu „Freiwild“. Englische Sponsoren sorgten dafür, dass ihr Vater aus Buchenwald herausgeholt werden und nach England fliehen konnte. Doch vorzeitig gealtert und gebrochen starb er bereits wenige Jahre später.

1939 hieß es dann plötzlich, dass Renata mit dem Kindertransport nach England fahren sollte: Am 26. August 1939 fuhr der letzte Transport aus Frankfurt nach England, mit Renata, und nur Tage darauf begann der Krieg. Ab und zu schrieb ihre Mutter noch Briefe, aber dann wurde der Briefverkehr ins Ausland durch die Nazis unterbrochen: „Ich komme bald.“ war das letzte, was sie von ihrer Mutter las.

Die Familie gab es nicht mehr und Renata „war englisch“, lebte zunächst im Internat und bereiste später die Welt als Stewardess und Reiseleiterin. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann John in Tirol. Beinahe 80 Jahre hatte sie nichts mit der jüdischen oder deutschen „Community“ zu tun, bis sie in einer Zeitung den Aufruf las: „Kindertransport-Kinder melden!“ Daraus entwickelte sich der erste Besuch in Frankfurt 2012, der die Kindheit und das Gefühl wachrief: „I bin Frankfurter.“

Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern wollte sie besonders eines mitgeben: „Ihr seid die nächste Generation. Gebt etwas von der Geschichte weiter. (…) Wenn nicht, besteht die reelle Möglichkeit, dass – Gott behüte – noch einmal so etwas passiert. Es hängt von euch ab, von jedem einzelnen. (…) Erst einmal such‘ dir eine gute Schule und dann reise. (…) Du siehst, du hörst, du lernst: Jeder ist nur Mensch.“